Klimawandel, Dürre, Stürme, Vermüllung und Verödung, vom Bienensterben vor der Haustür bis zur Hungerkatastrophe ganz weit weg: Nicht nur die Errungenschaften der modernen Gesellschaften werden durch politische und immer mehr auch durch ökologische Krisen bedroht, sondern die menschliche Existenz insgesamt. Doch keine gesellschaftliche Krise kommt von Außen, denn folgen wir auch in Zukunft der gleichen irrationalen Logik des Kapitalismus wie in den letzten 200 Jahren, wird die ökologische Krise immer weiter verschärft. Soll eine bessere Zukunft für alle Menschen in einer freien Gesellschaft nicht schon durch die Zerstörung ihrer ’natürlichen‘ Grundlagen verunmöglicht werden, müssen die ökologische Krise und ihre Ursachen bereits in der Gegenwart bekämpft werden.
Die Proteste und Aktionen im Hambacher Forst waren ein lokaler Erfolg sozialer Bewegung, gleichzeitig sehen darin tausende Arbeiter_innen der Braunkohleindustrie ihre persönliche soziale Krise. Währenddessen schafft McDonalds Plastikstrohhalme ab und RWE wird der drittgrößte Ökostromanbieter Europas. Der Kapitalismus als Gesellschaftsverhältnis ist von Widersprüchen geprägt, die durch verschiedene Ansätze der Degrowth- und Postwachstums- sowie anderen sich als ökologisch verstehenden Bewegungen nicht immer thematisiert werden. Im Vordergrund steht oft eine Konsumkritik und Infragestellung von Wirtschaftswachstum. Zugrunde liegt kein einheitliches Theoriegebäude, sondern eine pluralistische, inhaltlich breite Bewegung bestehend aus verschiedenen, teils widersprüchlichen politischen Strömungen und Ideologien.
Warum werden aber die systematischen Analysen der ökologischen Krise und eine Kritik der gesellschaftlichen Ursachen bisher kaum wirkmächtig? Mit dieser Veranstaltungsreihe wollen wir der Frage nachgehen, wie sich diese Krise, ihre Ursachen und der Kampf dagegen theoretisch beschreiben und praktisch verändern lassen, bevor es zu spät ist.
Die Veranstaltungsreihe wird organisiert und unterstützt von Naturfreundejugend Leipzig, Referat für Ökologie- StuRa Uni Leipzig und Referat Ökologie und Verkehr HTWK.
Übericht über die Veranstaltungen:
1. Der Zug Richtung Abgrund. Kapitalismus und die Krise des Erdsystems (Translib), 19.11.2018
Die Hitzewelle dieses Sommers, die in vielen Regionen zu gewaltigen Ernteeinbußen und verheerenden Waldbränden führte, hat einmal mehr die zerstörerischen Auswirkungen der Erderwärmung verdeutlicht. Über die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels herrscht seit Jahrzehnten weitgehende Klarheit. Dieses Wissen konnte den Zug Richtung Abgrund jedoch nicht stoppen. Das ist kein Zufall: das Kapital kennt keine Grenzen, sondern nur zu überwindende Schranken. Eine Umkehr ist weder durch die „Kräfte des Marktes“ noch durch die staatliche Politik zu erwarten. Der Vortrag handelt von der Krise des Erdsystems, ihren gesellschaftlichen Ursachen und dem notwendigen Griff nach der Notbremse.
2. Warum Wachstumskritik Teil von Kapitalismuskritik sein sollte und umgekehrt (Steffen Liebig), 22.11.2018
Das Verhältnis der politischen Linken zu Konzepten und Bewegungen, die sich rund um Schlagworte wie „Postwachstum“ oder „Degrowth“ sammeln, ist oft ambivalent. Für die einen gilt Wachstumskritik als verkürzt und als moralisierende Konsumschelte, für die anderen sind die mit ihr verbundenen Praxen zu individualistisch, harmlos oder schlicht systemkonform. Und tatsächlich wird Wachstumskritik keineswegs ausschließlich von links geübt. Demgegenüber betont der Vortrag, dass sich Kapitalismuskritik und Wachstumskritik gegenseitig bedingen und beide nicht aufeinander verzichten sollten. Gerade die kapitalismuskritische Linke täte gut daran (wieder) verstärkt ökologische Themen aufzugreifen. Hierzu lassen sich aus der ökomarxistischen Tradition Argumente aufnehmen, welche viele der üblichen Einwände gegen die Wachstumskritik entkräften.
3. Gesellschaftliche Naturverhältnisse (Anne Tittor), 29.11.2018
Umweltprobleme sind von sozialen Fragen ganz selten zu trennen. Wer über Macht und Herrschaft nicht sprechen möchte, wird viele Facetten, Ursachen der ökologischen Krise und mit ihr verbundene Konflikte von angemessen verstehen – so zumindest eine der Grundannahmen der Politischen Ökologie. Der Vortrag gibt einen Überblick über dieses noch recht junge und interdisziplinär ausgerichtete Debattenfeld. Veranschaulicht an Beispielen sozial-ökologischer Konflikte in Nicaragua, Argentinien und Deutschland werden die transnationalen Dimensionen herausgestellt. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir, welche Überlegungen in der Politischen Ökologie zu Transformationsstrategien in Richtung Postwachstum und Umweltgerechtigkeit existieren.
4. Konsumkritik als Klassenkampf (Ulrich Schuster), 05.12.2018
Die ökologische Bewegung stürmt von Sieg zu Sieg. Von Atomausstieg bis Hambacher Forst: das Ende der Braunkohleverstromung ist nahe und „Energiewende“ hat Einzug in die englische Sprache gehalten. Der Erfolg hat System. Er beruht auf einer sozialen Umwälzung, in deren Folge postmaterialistische Orientierungen zu gesellschaftlichen Leitwerten avancierten. Insbesondere für die zumeist akademisch gebildeten und früher oder später besser verdienenden Mitglieder einer aufsteigenden Mittelklasse gehören heute ökologisches Bewusstsein und Konsumkritik zu den Bausteinen der Selbstvermarktung. Trotzdem wollen optimistische Linksradikale in Aufrufen zum Konsumverzicht, Postwachstumsinitiativen und Umweltaktivismus den ersten Schritt zur Abschaffung des Kapitalismus erkennen. An der Spitze eines Milieus realer oder prospektiver Bildungsgewinner engagieren sie sich ohne Rücksicht auf Verluste für einen Prozess, in dessen Folge subalterne Klassen kulturell abgewertet werden und für alle der Druck zur Selbstoptimierung steigt.
5. Völkische Traditionen im Natur- und Umweltschutz (NFJ Berlin, Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN)), 11.12.2018
Seit seiner Entstehung ist der Natur- und Umweltschutz oft mit völkischem, nationalistischem und Faschistischem Gedankengut verbunden. Ist das Zufall oder bieten gerade Natur- und Umweltschutzthemen Ansatzpunkte für die antidemokratischen und menschenfeindlichen Ideologien der extrem Rechten? Der Vortrag geht auf die Geschichte des Natur- und Umweltschutzes ein, analysiert das Konzept des Heimatschutzes als Teil der rechten Umweltideologie und erläutert die Ansatzpunkte der politischen Rechten in der umweltpolitischen Diskussion.
6. Podiumsdiskussion: Die ökologische Krise und die Möglichkeit von Alternativen, 20.12.2018
Die etablierten und am weitesten verbreiteten Ansätze zur Bewältigung der ökologischen Krise, haben theoretische Leer- und Fehlstellen und greifen damit auch in der Praxis zu kurz.
Welche theoretische Kritik mit einer materialistischen Perspektiven, ist diversen Ansätzen von Solidarischer Landwirtschaft über Degrowth bis zum Lesekreis entgegenzubringen? Welche Formen von verschiedenen Praxen können den Inhalten dieser Kritiken gerecht werden?
Es diskutieren: Johannes Hauer (translib, Communistisches Labor), Ulrich Schuster, Frederike Habermann (Commons und Care-Ökonomie), vegu (Verein für Ernährungssouveränität und gesellschaftliche Utopie (angefragt)), u.a.